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Friedrich Schiller: Rheinwein, Wildbret und Apfelduft

Nachdem in der „Litera-Tour“ bereits festgestellt wurde, dass der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe sich in einigen Werken als regelrechter Restaurantkritiker betätigt hat, führt die Litera-Tour diesmal zu seinem Freund und Gegenpart Friedlich Schiller.


Freude sprudelt in Pokalen
Natürlich lobt auch dieser deutsche Klassiker den Wein und seine Wirkung, die Schiller sowohl als besänftigend als auch zugleich als anregend charakterisiert: "Freude sprudelt in Pokalen / in der Rebe goldnem Blut / trinken Sanftmut Kannibalen, / die Verzweiflung Heldenmut." Und an anderer Stelle preist er ausdrücklich den Rheinwein, den er offenbar als Geschenk bekommen hat und der mit dem bischöflichen Zeichen von Ring und Stab gekennzeichnet war:„Ring und Stab, o seid mir auf Rheinweinflaschen willkommen! / Ja, wer die Schafe so tränket, der heißt mir ein Hirt./ Dreimal gesegneter Trank! dich gewann mir die Muse, die Muse / Schickt dich, die Kirche selbst drückte das Siegel dir auf“.

In „Wallensteins Lager“ bringt die Marketenderin eine Flasche und lädt die Landsknechte ein: „Das kommt nicht aufs Kerbholz. Ich geb es gern. / Gute Verrichtung, meine Herrn!“ Und die Haudegen bringen gemeinsam einen Trinkspruch aus: „ Der Wehrstand soll leben! / Der Nährstand soll geben! / Die Armee soll florieren! / Und der Friedländer soll sie regieren.“

 

Kartoffeln und dünn Bier
Dabei zeigt sich schon, wie wichtig die äußere Umgebung für Art und Weise des Getränks und des Genusses ist. An so manchen Gastgeber seine Tage gewandt, meint Schiller: „Speis und Trank sind freudenleer, wenn nicht des Wirtes Zuspruch den Gästen zeigt, dass sie willkommen sind!” Willkommen war offenbar der „Verbrecher aus verlorener Ehre“ seinen Gastgebern, denn in diesem Werk Schillers heißt es: „Meine Ankunft hatte den Schmaus unterbrochen, der eben anfangen sollte. Man setzte ihn sogleich fort und nötigte mich, den Willkomm zu trinken. Wildpret aller Art war die Mahlzeit, und die Weinflasche wanderte unermüdet von Nachbar zu Nachbar. Wohlleben und Einigkeit schien die ganze Bande zu beseelen, und alles wetteiferte, seine Freude über mich zügelloser an den Tag zu legen.“ Eine Haltung, die ganz im Gegensatz zu der erklärten Absicht von Franz Moor („Franz heißt die Kanaille!“) steht, wie es in seinen Ländereien zugehen solle: „In meinem Gebiet soll’s soweit kommen, dass Kartoffeln und dünn Bier ein Traktament für Festtage werden!“

 

Glück ohne Grenzen?
Unglücklich ging auch eine Mahlzeit für den so glücklichen Polykrates aus, der einen kostbaren Ring ins Meer warf, um mit diesem Opfer die Götter gnädig zu stimmen. Schon am nächsten Morgen bringt ein Fischer ihm einen ganz besonderen Fisch aus seinem Fang als Geschenke – und im Inneren dieses Fisches fand sich der Ring wieder, wie der Koch verkündet: „Sieh, Herr, den Ring, den du getragen, / Ihn fand ich in des Fisches Magen, / O, ohne Grenzen ist dein Glück!"

 

Übrigens: Schiller hatte eine ganz besondere Methode, Schreibblockaden zu überwinden. Ihn regte der Geruch von Äpfeln, die er in seiner Schreibtischschublade aufbewahrte, in seinem Schaffen an.

 

Ein Schiller-Menü:
Ließe sich aus diesen wenigen Textstellen ein Schiller-Menü zusammenstellen? Nun, als Vorspeise könnte man einen Fisch à la Polykrates auf Zwiebelringen servieren. Wildbret bildet den Hauptgang, und als Getränk wird dazu nicht etwa dünnes Bier serviert, sondern Rheinwein. Und als „Verteiler“ gibt’s einen klaren Schnaps wie in Wallensteins Lager. Den Nachtisch bildet dann duftendes Apfelmus.


Manfred Kellner

 

 

Arno Schmidt: Blaue Suppe und rote Wurst

Der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt war – unter anderem – ein scharfsichtiger und scharfzüngiger Chronist der Nachkriegszeit. Er experimentierte geradezu auf Joycesche Weise mit Sprache und Schriftbild, mit Erzählformen und Erzählperspektiven – und schuf dabei ein Bild der deutschen Gesellschaften in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts.


Viel ist es nicht, was die Protagonisten der Schmidtschen Romane und Novellen ihr Eigen nennen – und trotzdem, oder gerade deshalb, ist ihnen das Essen besonders wichtig. Manchmal wird es geradezu lyrisch geschildert: „Der Büchsenbraten sah so hübsch abstrakt aus, die rosigen Ziegel mit den abgerundeten Kanten, dass man heutzutage gar nicht mehr an das Schlachthaus zu denken braucht“, heißt es etwa im „Steinernen Herz“.


Pellkartoffeln und Leberwurst

Und was wird sonst noch aufgetischt? Zum hausgemachten Rotkohl gibt’s Erdäpfel, das Bratenstückchen, zum Abschluss „den süßen weißen Schlamm (eines Grießpuddings)“. Oder: Querder (also Neunaugen) in Weinbrühe, Butter und Zitronensaft - „Lüneburger Bricken“ genannt. Oder: Rührkartoffeln, Gewiegtes und junge Erbsen. Der Erzähler ergänzt: „Und noch für Jeden n Ei on top of it!“ In den „Umsiedlern“ werden Pellkartoffeln und Leberwurst gegessen sowie „Erbssuppe mit einem schlanken, sehnigen indianerroten Würstchen“. Als Nachtisch gibt es etwa „Hedewichs“ – „ein rundes ahldener Gebäck; Spezialmilchteig mit Rosinen“.


Nicht zu vergessen: Es herrscht zum Teil noch Kartenwirtschaft – und die Hausfrauen im Geschäft lachen über die Vorstellungen der Umsiedler, man könne irgendwo Messer und Gabel erwerben. Sparsam muss man sein: „Das ist die letzte Zwiebel, Mann!“, ist ein Aufschrei in „Brand’s Haide“ – und da stellt dann jemand auch entscheidende Frage: „Wie viel Kartoffeln bekommt man für ein Pfund Kaffee?“


Besuch der Fischbratküche

Hin und wieder geht man auch zum Essen bei Schmidt – etwa in die Hamburger Fischbratküche: „Ich biss in die goldbraunen Filetscheiben, und gabelte den kühlen grünlichen Kartoffelsalat, und fraß noch eine Portion, gulpte den halben eisigen Bierliter.“


Da viele Bücher Schmidts in der direkten Nachkriegszeit spielen, ist es in ihnen mit echtem Bohnenkaffee nicht so weit her. Immer wieder kommt deshalb Nescafé vor – gern auch so genannt, den Begriff der Schleichwerbung gab es damals noch nicht. Als ein Ober im Wartesaal Hannover eine Kaffeebestellung nur unwillig aufnimmt, rächte sich der Erzähler sogleich: „Wofür ich dann, als das Zeug kam, ihm zum Possen noch während des Bezahlens je einen Löffel Nescafé zusätzlich hineinrührte.“


Nescafé und Pferdewurst

Ein anderer Getränketipp: „Kenn’ Sie das nich?! Eine große Tasse Kakao – mit Milch gekocht: hm : geht.: Und jetzt anderthalb Löffel Jamaicarum, 86 proof, rein; in jede Tasse!“ Das fiel in jenen Tagen in die Kategorie „Eksodische Getränke“.


Manchmal erlebt man beim Essenkochen auch sein blaues Wunder: so etwa, als eine Tütensuppe "Huhn mit Reis" aufgetischt wird. Die ist blau, weil in dem Topf zuvor eine Bluse gefärbt worden war. Am Geschmack ist jedoch kaum noch etwas davon zu bemerken, und alle hoffen, dass der Farbstoff nicht giftig sein wird.


In der Regel geht es rustikal zu in den Schmidtchen Büchern – entsprechend der Zeit, die er schildert. „Mittagspause heißt Stullen malmen“ schreibt er im „Faun“ oder: „Aber harte Pferdewurst!: Ich kann mir nicht helfen: ich ess sie gern!“

 

Ein Schmidt-Menü:
Mit diesem Arno-Schmidt-Menü kann man sich zurückschmecken in die 50er Jahre: Als Vorspeise gibt es einen Teller Hühnersuppe und Reis (authentisch zubereitet als Tütengericht). Das Hauptgericht ist Fischfilet mit Kartoffelsalat á la Daniel Wischer. Zum Nachtisch gibt es Grießpudding mit Himbeersirup sowie „Hedewichs“ mit einer Tasse starkem Nescafé.           

 

Manfred Kellner

 

 

 

Science Fiction: Die zukünftigen Genüsse

Was essen wir in zwanzig Jahren? Und was unsere Nachkommen in einem Jahrhundert? Wie werden die Mahlzeiten dann zubereitet, wie serviert und gegessen? Gehen wir doch einmal auf Litera-Tour in die Zukunft und probieren wir die „Science Kitchen“ aus.


Mondfahrer – bestens versorgt

Jules Verne, einer der Begründer der modernen Science Fiction, lässt seine Helden noch recht irdisch und zeitgenössisch speisen. So werden auf dem Boden des Abschussrohres seiner Mondrakete während eines 10-Gang-Festmahls beispielsweise Austern aufgetischt, ein Rehrücken, Bachforellen und Petit Fours. Und das Frühstück der Mondreisenden „begann mit exquisiter Bouillon aus Liebigs Fleischextrakt, der aus bestem argentinischen Rindfleisch hergestellt wird. Danach wurde hydraulisch komprimiertes Beefsteak gereicht - zart und saftig wie im Café Anglais in Paris. Auf das Fleisch folgte konserviertes Gemüse, und zum Abschluss gab es Tee aus Blättern erster Wahl.“


Syntho-Kalb und Proto-Gemüse

Ungewohnt sind die Gerichte, über die Isaac Asimov beispielsweise in „Aurora“ oder „Solaria“ schreibt. Auf der völlig übervölkerten Erde, in der die Menschen in unterirdischen Stahlhöhlen leben, gibt es nur synthetische Kost, die lediglich noch den Namen von uns bekannten Gerichten trägt. „Was gibt’s denn zu essen?“ fragt der Sohn des Helden Baley. „Hoffentlich nicht schon wieder Syntho-Kalbfleisch!“ Doch genau das gibt’s, eine die Mutter betont, das „Syntho-Kalb und Proto-Gemüse sehr gesund“ seien.


Die Gerichte auf den fernen Planeten überraschen Baley mit ihrem „subtilen und intensiven“ Geschmack, an den er sich, wie er befürchtet, nur zu schnell gewöhnen wird. Und es gibt dort ein „kompliziertes Besteck, das Baley größtenteils unvertraut war“ – oder gar einen großen Zylinder, der sich als „Würzer“ herausstellt. Er besitze, so wird dem unwissenden Erdenmenschen erläutert, „einfache Stellknöpfe, die es einem ermöglichen, mit ihm eine bestimmten Menge von einem Dutzend verschiedener Gewürze auf jeden Teil eines Gerichts abzugeben“.


Pilot Pirx schlemmt

In der Kurzgeschichte „Albatros“ genießt Pilot Pirx, einer der SF-Helden von Stanislaw Lem, ein „Mittagessen aus sechs Gängen“ – im Restaurant eines Raum-Kreuzfahrtschiffes: „Über jeden Tisch brannte eine Punktlampe: bei Schildkrötensuppe zitronengelb, bei Fisch fast weiß mit bläulicher Schattierung. Die Hähnchen waren mit rosa Licht übergossen, vermengt mit einem seidig-warmen Grauton.“ Der Clou: Die Gänge werden von echten Kellnern serviert, nicht von Bedienungsautomaten!


Nicht immer geht es so fein zu bei Lem – in der Geschichte „Bedingter Reflex“ sind es die hastig zurückgelassenen Zutaten für Pfannkuchen, die Pirx letztlich auf die Lösung eines scheinbar unlösbaren Rätsels bringen. Nach allerlei Gefahren auf einer Mondstation kann der Pilot seinen Kollegen aus tödlicher Gefahr retten – und schlägt sich dann die Eierkuchen in die Pfanne.

 

Ein Science-Kitchen-Menü

Wer einmal ein Menü aus der Science Kitchen probieren möchte, könnte diese Speisenfolge wählen: Eine Bouillon à la Verne wird gefolgt von einem Hähnchen „Albatros“. Als Hauptgang gibt es ein Beefsteak nach Art des Café Anglais mit Gemüse. Und zum Dessert wird natürlich ein Pfannkuchen Pirx serviert – mit süßer Füllung.            Manfred Kellner

Sjöwall/Wahlöö: Kriminalistische Schwedenhäppchen

 

Die zehn Bände des schwedischen Autorenpaars Maj Sjöwall und Per Wahlöö rund um Kommissar Martin Beck und seine Kollegen: In den 70er Jahren waren sie Kult-Krimis - nicht nur in der Studentenbewegung, sondern weit darüber hinaus. Die neuen Filme fürs Fernsehen haben wenig vom Reiz dieser Bücher bestehen lassen. Dabei bieten Sjöwall und Wahlöö auch kulinarisch allerhand Erwähneswertes.

 

„Gripenberger“ und Aquavit

Oft genug hilft Beck und seinen Kollegen nur der Gang in die Sauna, um nach einem Gelage wieder einen klaren Kopf zu bekommen und sich auf die Aufklärung von Verbrechen konzentrieren zu können. Kein Wunder bei Rezepten wie dem für den „Gripenberger“, der Spezialität von Per Månsson aus Malmö. In „Und die Großen lässt man laufen“ heißt es: „Das war sein Lieblingsgetränk und bestand ganz einfach aus rund acht Zehntellitern Gin, Eisstücken und Grape-Tonic in einem großen Tumbler.“ In „Alarm in Sköldgatan“ wird der Name erklärt: Der Drink ist benannt nach einem finnischer Kavallerieoffizier mit Namen Gripenberg, der Månsson die Mischung empfohlen hatte. Gern machen sich die Kriminalisten aber auch über Wein, Bier und Aquavit her. Dem Zug der Zeit entsprechend kommt (zum Beispiel in „Und die Großen lässt man laufen“) der „Piesporter Falkenberg“ übrigens aus dem Kühlschrank, „Carlsberg Hof“ wird aus Dosen getrunken, der Aquavit aber ist immer eiskalt. 

 

Essen mit Liebe

Als Martin Beck später Rhea Nielsen kennenlernt, wird sein kulinarischer Horizont entscheidend erweitert. Rhea isst leidenschaftlich gern – und am liebsten „wenn sie miteinander geschlafen hatten. Sie hatte dann jedes Mal einen Wolfshunger.“ Da stürzt sie manchmal noch nackt in die Küche und bereitet „überbackene Schinkenbrote mit Tomaten und Parmesan“ zu.

 

Dilldurft und Pumpernickel

Doch zunächst ist Martin Beck kein großer Esser – im Gegensatz zu seinem Freund Lennart Kollberg, der deshalb auch ständig mit seinem Übergewicht zu kämpfen hat. Beck leidet an Magenproblemen und stellt deshalb nur geringen Anforderungen an seine Mahlzeiten. Unter diesem Umständen muss das Abendbrot, das in einem der ersten Romane („Alarm in Sköldgatan“) geschildet wird, schon als Festessen gelten: „Zu Abend aß er kalte Fleischklöße, Rogen und Camembert auf Pumpernickel und trank zwei Flaschen Bier. Anschließend trank er Kaffee und Cognac.“

 

Nach seiner Scheidung bessert sich Becks Magen – und auch seine kulinarischen Ansprüche werden größer. Nach einigem Kopfzerbrechen tischt er in „Und die Großen lässt man laufen“ zwei Gästen folgendes Festessen auf: „Matjeshering auf Dill mit sauerer Sahne und Schnittlauch. Eine Schale Maränenrogen mit einem Kranz aus feingehackten Zwiebeln, Dill und Zitronenscheiben. Geräucherter Lachs in dünnen Scheiben auf zarten Salatblättern. Hartgekochte Eier in Scheiben. Bückling. Geräucherte Scholle. Ungarische Salami, polnische Wurst, finnische Wurst und Leberwurst aus Schonen. Eine große Schale Salat mit Massen frischer Krabben. Auf diesen Salat war er besonders stolz, weil er ihn selbst zubereitet hatte und weil er zu seinem großen Erstaunen ausgezeichnet schmeckte. Sechs verschiedenen Sorten Käse auf einem Holzbrett. Radieschen und Oliven. Pumpernickel, ungarisches Landbrot und ein knusperiges, leicht angewärmtes Baguette, Landbutter in einem hölzernen Butterfässchen. Die jungen Kartoffeln kochten auf dem Herd still vor sich hin, auf aus dem Topf stieg Dillduft auf.“ Dazu gibt es Wein, Bier und Aquavit.

 

Ein Sjöwall-Wahlöö-Menü

 

Genau diese Speisenfolge – Schwedenhäppchen á la Sjöwall/Wahlöö – wäre doch einmal ein herrlicher Menüvorschlag für Krimifreunde.             Manfred Kellner

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