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Elizabeth George: Kriminalfälle zwischen Chips und Champagner

 

Inspektor Thomas Lynley und seine Assistentin Barbara Havers sind inzwischen nicht nur aus den Romanen von Elizabeth George bekannt, sondern auch aus dem Fernsehen. Und weil die beiden dabei ständig unterwegs sind, dreht es sich immer wieder einmal um Gaststätten und Hotels, um Getränke und Mahlzeiten. Ein lohnendes Feld also für die Liter-Tour durch Herbergen und Schänken.

 

Speisen mit Scotland Yard

 

Verschiedene Lebensstile und die unterschiedliche Herkunft stoßen aufeinander, wenn Thomas Lynley und Barbara Havers während eines Falles gemeinsam essen gehen. Der aristokratische Kommissar, ein Lord gar, und seine proletarische Helferin geraten auch in dieser Frage immer wieder in schwierige Situationen. So verlässt die Polizistin beispielsweise in „Gott schütze dieses Haus“ voller Panik das Lokal, als ihr Huhn mit Erbsen serviert wird – ein Gericht, das sie schlagartig an das häusliche Elend ihrer dementen Mutter in der elterlichen Wohnung erinnert. In „Asche zu Asche“ sieht sie sich einer italienischen Speisekarte gegenüber – und ist zu stolz, den sprachgewandten Lynley um eine Übersetzung zu bitten. So bestellt sie Calamari fritti und hofft, „dass sie nicht gerade Oktopus erwischt hat“.

 

Essen im Schnellverfahren

 

In der Regel kümmert sich Havers nicht sonderlich ums Essen. Junkfood ist angesagt bei ihr – Kartoffelchips gibt es, und von einem „Abendessen aus Pommes mit Salz und Essig“ ist etwa in „Asche zu Asche“ die Rede. Und morgens muss ebenfalls alles schnell gehen – auch in dem Hotel, in dem sie in „Denn sie betrügt man nicht“ logiert: „Sie so daran gewöhnt, im Schnellverfahren zu essen, dass sie es auch jetzt nicht lassen konnte, ihr Frühstück hinunterzu-schlingen, als wäre ihr ein Mafiavollstrecker auf den Fersen.“

 

Schuldbewusst sieht sie anschließend eine Kollegin gesundheitsbewusst Joghurt, Trockenfrüchte und Nüsse essen und denkt an das eigene Frühstück aus Toast, Spiegelei und Schinken. Und an den Tee, den es dazu gab: „Er war dickflüssig und so dunkel, als hätte er wie irgendein Höllengebräu eine ganze Woche lang vor sich hin geköchelt.“

 

Ganz anderes natürlich in der britischen Obenschicht, zu der Lynley als Lord Ashton zählt. Sein Butler Denton ist ein Zauberer am Herd, der selbst zu später Stunde nicht nur etwas Schmackhaftes, sondern etwas Köstliches zu zaubern imstande ist.

 

Warnung von der Wirtstochter

 

In einem Roman wird ein Essen sogar zum Ausgangspunkt eines Falles. Lynley und sein Freund St. James müssen sich in „Denn keiner ist ohne Schuld“ mit einem Todesfall auseinandersetzen, der durch die angeblich versehentliche Verwechselung von wilden Pastinaken mit Giftwasserschierling verursacht wurde – eine verhängnisvolle Mahlzeit, die das Leben eines ganzen Dorfes durcheinander wirbelt.

 

Und auch ohne Giftwasserschierling ist das Essen in der Gaststätte des Ortes  nicht immer ein Vergnügen. Sogar die Wirtstochter warnt die Gäste schon bei der Ankunft: „Nehmen Sie auf keinen Fall das Boeuff Bourguignon. Das ist nämlich ordinärer Eintopf!“ So kann das zweifelhafte Boeuff gemieden werden - und stattdessen gibt’s gefüllte Champignons und Seezunge. Das Mädchen hätte aber besser wohl auch vor den Zimmern warnen sollen, denn die sind eiskalt – und auch die romantische Namensgebung („Himmelsblick“) kann daran nichts ändern.

 

Die Lady kann nicht kochen

 

Lynleys Freundin Lady Helen versucht sich in „Asche zu Asche“ als Köchin – mit wenig ermutigenden Ergebnissen: „Was, in Dreiteufelsnamen, hatte sie an die Soße gegeben?“ fragt sich Lynley beim Probieren des Pastagerichts. „Tomaten natürlich, aber hatte sie tatsächlich Estragon anstelle von Petersilie genommen?“ Zuvor hatte Helen Denton in die Verzweiflung getrieben, einen Kochtopf ruiniert und den Rauchmelder ausgelöst. Im Laufe des Abends erbarmte sich dann der Butler und machte ihr „etwas mit Hühnchen und Artischocken“, das „hinreißend“ schmeckte. Davon bekommt Lynley nach einen langen Arbeitstag dann auch noch etwas – allerdings nicht ohne Helen zuvor daran hindern zu müssen, einen Metalltopf in die Mikrowelle zu stellen.

 

Das George-Menü

 

Ein typisches George-Menü müsste so widersprüchlich sein wie Lynley und Havers: Als Vorspeise gibt es einen Salat aus wilden Pastinaken, danach ein wenig Hühnchen mit Erbsen und Artischocken. Als Hauptgang werden gefüllte Champignons und Seezunge sowie Pommes mit Salz und Essig gereicht und als Dessert Joghurt mit Früchten und Nüssen.
                                                                                                                                              Manfred Kellner


Johann Wolfgang von Goethe: "Deutsche sagen Katzenjammer"

 

Vor mehr als 250 Jahren wurde Johann Wolfgang von Goethe geboren. Vielerlei ist über ihn und sein Werk geschrieben worden. Auf dieser "Litera-Tour" soll es um Mahlzeiten, Getränke und Übernachtungsgelegenheiten gehen, die in den Büchern des Dichterfürsten vorkommen.

 

Gutes Essen und Trinken prägten Goethe schon als Kind. In seinen Erinnerungen "Dichtung und Wahrheit" berichtete er etwa von einem Neujahrstag im Hause seines Großvaters, wo "Torten, Biskuitkuchen, Marzipane, der süße Wein den größten Reiz auf die Kinder" ausübten. Immer wieder berichtet Goethe von "kostbarsten alten Rheinwein in geschliffenen Flaschen" - oder auch von Kaffee, der "für einige Stunden zur Ermunterung" diente - also wohl ziemlich stark gewesen sein muss.

 

Rheinwein und Champagner

 

Übers Trinken hat sich Goethe in so manchem Gedicht geäußert, und im "Faust" schildert er uns sogar ein regelrechtes Saufgelage. Mephisto hält dort Zecher zum Narren, lässt sie Weine bestellen. Der erste ordert: "Gut, wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben: / Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben." Der nächste: "Ich will Champagner-Wein / und recht moussierend soll er sein! / Man kann nicht stets das Fremde meiden, / Das Gute liegt uns oft so fern. / Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden. / Doch seine Weine trinkt er gern."

 

Und auch die Folgen übermäßigen Trinkens sind dem Dichter bekannt - im "West-östlichen Divan" schreibt er: "Welch ein Zustand! Herr, so späte / Schleichst du heut aus deiner Kammer; / Perser nennen's Bidamag buden, / Deutsche sagen Katzenjammer." Vielleicht ist das ja die Situation, in der Goethe, wie andere zum Rollmops, zum Sardellen-Salat greift. Zumindest lobt er diese Speise hoch: "Die Welt ist wie ein Sardellen-Salat; / Er schmeckt uns früh, er schmeckt uns spat."

 

Unbequeme Gasthäuser

 

Gasthäuser findet Goethe oft äußerst unbequem. So notiert er auf seiner "Italienischen Reise" unwillig: "Zwei Abende habe ich nicht geschrieben. Die Herbergen waren so schlecht, dass an kein Auslegen eines Blattes zu denken war." Auf dieser Reise betätigt sich Goethe geradezu als Restaurant-Kritiker. So kündigt ihm ein Wirt - irgendwo zwischen dem Brenner und Verona - "köstliche Forellen" an. Der Reisende urteilt: "Es sind keine eigentliche Forellen, groß, manchmal fünfzig Pfund schwer, über den ganzen Körper bis auf den Kopf hin punktiert; der Geschmack zwischen Forelle und Lachs, zart und trefflich." Er ergänzt: "Mein eigentlich Wohlleben aber ist in Früchten, in Feigen, auch Birnen, welche da wohl köstlich sein müssen, wo schon Zitronen wachsen."
 

Lob des guten Essens

 

Im "Götz von Berlichingen" findet sich ein Lob des guten Essens: "Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu Euerm Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden." Und was wurde so serviert auf der Götz-Burg? Sohn Karl erzählt dem Vater, die Mutter koche gerade "weiße Rüben und einen Lammbraten." Und zum Nachtisch gibt es für das Kind einen Bratapfel.

 

Das Goethe-Menü

 

Welcher Küchenchef könnte sich ein Fünf-Gang-Menü á la Goethe erwärmen? Hier ein Vorschlag: Als Vorspeise gäbe es natürlich einen Sardellen-Salat; danach Forellen-Filets, zu denen Champagner serviert wird; als Hauptgericht einen Lammbraten mit Rübengemüse, begleitet von Rheinwein; dann etwas Marzipan und Dessertwein; und als Abschluss schließlich eine Tasse Mokka und ein kleiner Biskuitkuchen. Könnte das nicht zu einem echter Klassiker werden?                                                                                                                               

 

Manfred Kellner


Noah Gordon: Schmackhafte Rezepte von „Medicus“

 

Wenn sich der „Medicus“ von Noah Gorden zunächst auf seine Reisen durch England und dann durch halb Europa und Asien macht, spielt die Frage der nächsten Mahlzeit auch immer eine Rolle. Gelegenheit genug also, um mit dem Bader und späteren Arzt einmal auf Litera-Tour zu gehen.

 

Großes Essen zum traurigen Anlass


Not prägte die Kindheit Robs, des späteren Medicus’. Die Familie lebt wie alle Nachbarn auch in Armut, doch Begräbnisse etwas werden zu Anlassen, einmal richtig zu essen – und zu trinken. Über die Trauerfeier von Robs Mutter heißt es: „Außer Apfelwein und Starkbier gab es süßes Bier und ein Getränk namens Slip, für das man Honig, mit Wasser vermischt, sechs Wochen gären ließ. Dann gab es Pigment, den nach Maulbeeren schmeckenden Wein, der Morat hieß, und einen gewürzten Met, der Metheglin genannt wurde. Ferner brachte man Unmengen gebratener Wachteln und Rebhühner, viele gebackene und gebratene Gerichte von Hasen und anderem Wild, Räucherheringe, frisch gefangene Forellen und Schollen sowie Laibe von Gerstenbrot.“

 

Mahlzeiten mit dem Bader


Solche Mahlzeiten sind die absolute Ausnahme in der Kindheit des Medicus. So kann er sich glücklich schätzen, dass ihn ein Bader aufnimmt – ein Bader, der für sich auch die Liebe zur Kochkunst entdeckt hat. Fasziniert beobachtet der Junge, wie sein neuer Lehrherr das erste gemeinsame Essen bereitet: „Der Bader hatte reichlich dünne Scheiben Räucherspeck in einen Eisentopf gelegt. Nun schnitt er eine große Rübe und mehrere Stangen Lauch in den Topf, zu denen er eine Handvoll getrockneter Maulbeeren und einige Kräuter hinzufügte.“ Rob schien, dass er nie etwas Besseres gerochen hatte. Später aber sollten Fische, Gänse, “Rührei mit dicker Sahne und überreifen Brombeeren“ und sogar ein Schwan auf seinem Teller kommen.

 

Die jüdische Küche


Da sich Rob als Jude ausgeben muss, um in Persien Medizin studieren zu konnen, lernt er natürlich auch die jüdische Küche kennen. Nachbarinnen zeigen seiner Frau, „wie sie Fleisch, gemahlenen Paprika, Knoblauch, Lorbeerblätter und Salz in einen zugedeckten irdenen Topf legen sollte, auf den dann heiße Kohlen gehäuft wurden, so dass er den ganzen Shabbat langsam kochte und würzig und zart wurde.“ Dieses köstliche Gericht, das Shalent hieß, wurde Robs Lieblingsessen.

 

Schmausen in Persien

 

Nach den vielfältigen Strapazen der Reise nach Persien erfreut sich Rob an seinem ersten Essen in Isfahan. Es waren „kleine, auf Spießen gebratene Fleischstücke, fetter Reis, der Pilaw genannt wurde, und kleine, vom Feuer gebräunte Zwiebeln“. Danach gab es in Honig getränkte Kuchen und ein Getränk namens Scherbett – ein Erfrischungsgetränk aus leicht gefrorenem Fruchtsaft.

 

Ein karges Mahl – verglichen mit dem Festmahl beim König der Könige, zu dem Rob später gebeten wird: Da wurden vier übergroße Kessel herein getragen. „Einer war aufgefüllt mit Hühnereiern, die zu einer Creme aufgeschlagen worden waren, einer enthielt eine nahrhafte klare Suppe mit Kräutern, einer war mit klein gehacktem Fleisch gefüllt, das mit scharfen Gewürzen versehen worden war, und der letzte enthielt dicke Scheiben von gebratenem Fisch.“

 

Schottischer Spießbraten

 

Als Rob schließlich nach einigen Irrfahrten in Schottland ansässig wird, zeigt sich, dass man auch in seiner neuen Heimat zu Essen versteht: Zu seinem Empfang „wurden ein Ochse, ein Stier, acht Schafe, ein Dutzend Lämmer und eine Menge Geflügel auf sich langsam drehenden Spießen über dem offenen Feuer gebraten.“

 

Das Gordon-Menü


Ein Medicus-Menü á la Gordon könnte folgendermaßen aussehen: Als Vorspeise gibt es Geflügelsalat aus Wachteln und Rebhühnern, gefolgt von einer klaren Kräutersuppe und - als Zwischengang – von Rübengemüse mit Lauch an Räucherspeck. Als Hauptgang werden Schaschliks serviert aus Rinder- und Lammfilets sowie Putenbrust, dazu Reis und geröstete Zwiebelchen. Das Dessert: Honiggebäck. Die Getränke zu diesem Essen: Apfelwein, Scherbett und frisches Bier.                                                                                                       

Manfred Kellner

 

Günter Grass: Bulwen, Brot und Butt in Blättern

 

Günter Grass ist sicherlich einer der bedeutendsten deutschen Autoren der Neuzeit. Gehen wir also einmal in den Werken des Literatur-Nobelpreis-Trägers auf Litera-Tour! Denn auch bei Grass wird geschlemmt und getrunken.  
 
Frugale Mahlzeiten in der „Blechtrommel“

 

Eher frugal geht es in der „Blechtrommel“ zu. Von einem Stück trockenen Brot ist da die Rede, das an einen Bindfaden gebunden „in das norwegische Fässchen mit eingelegten Heringen“ getunkt und erst herausgezogen wurde, „wenn das Brot von der Salzlauge bis zum Überdruss durchtränkt war“. Und auch die Kartoffeln, die sich Anna Bronski in dem Roman über dem offenen Feuer auf dem Acker brät, atmen den Charme des Ländlichen: Vor ihr, so heißt es, „schwelte ein manchmal asthmatisch auflebendes, den Rauch flach und umständlich über die kaum geneigte Erdkruste hinschickendes Kartoffelkrautfeuer“. Anna „schob mit einem an der Spitze verkohlten Haselstock Kartoffeln unter die heiße Asche“, um sich die „Bulwen“ dann schmecken zu lassen. Mittags hatte sie gerade mal ein „mit Sirup versüßtes Schmalzbrot gegessen“.

 

Fischgerichte im „Butt“

 

„Der Butt"  - so Literaturwissenschaftler - erzählt vom Kochen und der Liebe. Zunächst einmal, so scheint es, von der Liebe zu Fischgerichten. Denn die Titelfigur berichtet selbst: „Mir ist bekannt, dass ich schmecke. Es hat sich herumgesprochen, auf wie verschiedene Weise eure durch Fürsorge herrschenden Weiber Plötze am Weidenspieß rösten, den Aal, den Zander, die handgroßen Flundern auf durchglühten Steinen braten oder meinesgleichen, wie jeden größeren Fisch, mit Blättern umlegt in heiße Asche betten, bis wir gar sind und dennoch saftig bleiben."

 

In dem Dichtertreffen von Gryphius und Opitz, über das im „Butt“ berichtet wird, gibt es zunächst einmal „gewürzten Wein“ und „Saft aus gepressten Holunderbeeren“. Als Gericht wird dann „auf silberner Platte“ ein Dorsch gereicht, ein gekochter Dorsch, „in Milch gegart und mit Dill abgeschmeckt“. Der Fisch „fiel sanft von der Gräte und schaute mit weißem Auge niemanden an“. Dazu gab es „honigsüßen Hirsebrei, in den kandierte Holunderblüten gerührt waren“.

 

Gänsebraten und Schnaps in den „Hundejahren“

 

Gleich zu Beginn der „Hundejahre“ geht es um die Rettung eines Gänsebratens. In der Windmühle brennt die vergessene Gans im Ofen der gelähmten Großmutter so auf der Seele, dass sie – allein im Haus – plötzlich wieder gehen kann und mit dieser wundersamen Heilung den Gänsebraten rettet. Beim anschließenden Mühlen-Fest gab’s dann nicht nur die Gans, deren brenzlige Stellen lediglich ein wenig abgekratzt werden mussten, sondern auch „Weißsauer, Gepökeltes und Kürbis in Essig“ – ziemliche Mengen für die „schlechte Zeit“ des Krieges.

 

Von der Kriegszeit gebeutelt in diesem Buch ist Studienrat Oswald Brunies, der süchtig nach Süßigkeiten ist. Als es keine Bonbons mehr gibt, stellt er selbst Leckereien aus allerlei Zutaten her: „Malz, Zucker, Ingwer, Anis, Hirschhornsalz, Honig, Bier, Pfeffer und Hammeltalg“ sowie – als besonderes Geheimnis - „gestoßene Nelke“. Leckereien liebt auch das Mädchen Tulla: „Eis, Eis zum Lecken, Speiseeis“.

 

Geradezu ein Loblied auf geistige Getränke singt Walter Matern – es liest sich wie ein Inventurverzeichnis aus einer 50er Jahre Kneipe: „Reidemeister und Stobbes Machandel, Steinhäger und Doppelwacholder, fuseligen Korn und Edeldestillate, Himbeergeist und den milden Bisquit, Weinbrandverschnitt und echten Arrak, Halb und Halb Mampe, das Schimmelgespann, Sherry, Blackberry, Karthäuser und Gin, den schlanken Kümmel, Curacao so süß, Ettaler Kloster, Husarenkaffee – Spirituosen! welche ein schönes und die Transzendenz streichelndes Wort.“

 

Das Grass-Menü


Ein 4-Gang-Menü auf Grass-Art könnte so aussehen: Als Vorspeise gibt es Heringshäppchen á la Blechtrommel mit Bratkartoffeln und Brot; danach Dorsch in Milch, Dillsoße und Hirseschnitten nach Art des Butts; als Hauptgang einen Gänsebraten á la Müllerin; und als Dessert eine Eisbombe „Tulla“ mit Karamell und Kandis.                              

 

Manfred Kellner

 

Gebrüder Grimm: märchenhaft Gesottenes und Gebratenes

Rotkäppchen bringt der Großmutter unter anderem eine Flasche Wein; Könige essen von goldenen Tellern; der Herrgott selbst sucht ein Nachtquartier: Auch in der Märchenwelt der Gebrüder Grimm geht es ums Essen und Trinken sowie ums Übernachten – eine schöne Textsammlung also für eine Litera-Tour.

 

Der Adel lässt es sich schmecken

 

Gutes Essen wird bei den Brüdern Grimm gern mit der Tafel des Königs in Verbindung gebracht. Und die ist denn auch bestens ausgestattet - angefangen beim Geschirr: Die wortbrüchige Prinzessin im "Froschkönig" isst gerade von ihrem "goldenen Teller" als sich der Frosch bei ihr meldet, und auch das ganze Unglück mit Dornröschen beginnt damit, dass ein goldener Teller fehlt: zwölf sind vorhanden, aber dreizehn würden benötigt. Aber auch was die Mahlzeiten selbst angeht, so speisen die Herrscher gern üppig und gut: Rebhühner beispielsweise wie der spätere Schwiegervater des Besitzers vom "gestiefelten Kater". Allerdings: Manche Könige bei den Grimms sind bescheidener in ihren Ansprüchen - der Herrscher in "Allereirauh" beispielsweise liebt Brotsuppe, wohl eher ein Arme-Leute-Essen.

 

Doch auch die armen Leute wissen, was schmeckt. Die "kluge Gretel" etwa brät zwei Hühner für ihren Herrn und seinen Gast - und weiß es so geschickt anzustellen, dass der Gast flieht und der Gastgeber ihn verfolgt, so dass sie das Geflügel ganz allein essen kann. Und die Mutter von "Rotkäppchen" sorgt sich um die kranke Großmutter, der sie Kuchen und eine Flasche Wein schickt.

 

Tischlein deck dich!

 

Sicherlich ein Wunschtraum vieler Menschen ist das berühmte "Tischlein deck dich", das von den Grimms beschrieben wird. Dieses Möbelstück hatte "gar kein besonderes Aussehen" und war "von gewöhnlichem Holz", aber wenn man es hinstellte und "Tischlein, deck dich!" rief, dann "war das gute Tischlein auf einmal mit einem sauberen Tüchlein bedeckt", und auf ihm stand "ein Teller und Messer und Gabel daneben, und Schüsseln mit Gesottenem und Gebratenem, soviel Platz hatten, und ein großes Glas mit rotem Wein leuchtete, dass einem das Herz lachte".

 

Verwandt ist dieses Tischlein mit dem Töpfchen aus dem "süßen Brei", das auf Befehl Brei kocht und damit erst aufhört, wenn man "Töpfchen, steh!" befiehlt. Typisch Märchen: Jemand vergisst diesen einfachen Stopp-Befehl und eine ganze Stadt wird von süßem Brei überschwemmt.

 

Gefähliche Herbergen

 

Gasthäuser und Herbergen kommen bei den Brüdern Grimm nicht besonders gut weg - Diebe und Mörderbanden warten dort auf die Reisenden. So ist es kein Wunder, dass der Herrgott, wenn er in den Märchen auf Erden wandelt, ein Privatquartier sucht - wie in "Der Arme und der Reiche": Zunächst fragt bei einem wohlhabenden Mann an, doch der Reiche weist ihn schroff ab, so dass Gott bei einem Armen Unterschlupf findet. Hier gibt es nichts weiter als Kartoffeln und Ziegenmilch, doch allen mundet das Essen sehr gut. Klar, dass der Arme belohnt und der Reiche bestraft wird.

 

Das Grimm-Menü

 

Bei den Grimms finden sich also genug Speisen für ein märchenhaftes Menü, das so aussehen könnte: Als ersten Gang gibt es eine feine Brotsuppe à la Allerleihrau, gefolgt von Rebhuhn nach Art des Gestiefelten Katers. Als Hauptgericht wird als Tischleindeckdich-Topf gesottenes und gebratenes Rindfleisch serviert, selbstverständlich mit einem guten Rotwein dazu. Und zum Nachtisch gibt's natürlich süßen Brei - solange, bis jemand "Töpfchen, steh!" sagt.                                                                                                                                     

Manfred Kellner

 

 

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