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Peter Böhme-Köst: Arme Ritter á la Sachsen

Peter Böhme-Köst („Das ist der Punkt“) hat ein Buch mit Kindheits-Erinnerungen geschrieben: „Leipzig, 1937“. Da Böhme-Köst schon in jungen Jahren die Kochkunst für sich entdeckte, bietet das Buch natürlich auch viel Stoff für eine kleine Litera-Tour.

 

Schon als Kind entwickelte sich Böhme-Köst zu einem kulinarischen Genie-ßer. Seine „Kinderträume“ beschreibt er so: „Ich liebte Eierschecke, ganz frisch vom Bäcker nebenan, Omas Arme Ritter, ihre Quarkkäulchen und Connewitzer Würstchen, die eigentlich auch Frankfurter oder Wiener hätten heißen können. Aber die Connewitzer waren dreiviertellang, und einfach dufte mit einem Hauch von Kümmel.“

 

Arme Ritter aus Semmelbrösel-Sahne-Pampe
 
Sicherheitshalber hat der Autor schon in diesen Jahren gelernt, seine Lieblingsgerichte selbst zu zubereiten und dabei offenbar eine große Virtuosität entwickelt. „Arme Ritter“ entstanden so: „Ich ditschte Zwieback oder Weißbrotscheiben in eine lauwarme Semmelbrösel-Sahne-Eierpampe. Dabei kam es auf den Zerfalltermin an. Hob man sie zu früh in die brutzelnde Butter, gab es Schuhsohlen, zu spät glitschten sie von der Schippe. Die ganze Prozedur schaffte ich als Vierjähriger ganz allein, auch das Mischen von Zucker und Zimt. Nur das rote Kompott kochte Oma. Rot musste sein.“

 

Ein weiteres Lieblingsgericht durfte der kleine Peter allerdings nicht allein herstellen: die Kekstorte, je nach Region auch „Hertas Kekskuchen, Kalte Hundeschnauze, Leipziger Lukullus, Hamburger Speck, gemeiner Kaas“ und so weiter genannt. Der gusseiserne Spezialkasserol, der für den „glühheißen, zarten Schlackaramatsch“ benötigt wurde, war für das Kind einfach zu schwer.

 

Leckere Quarkgäulchen

 

Anders bei den „Quarkgäulchen“ – „die zweite Mahlzeit“, so Böhme-Köst, „die ich ganz allein zubereiten konnte, noch bevor ich in die Schule kam“. Den Herstellungsprozess schildert der Autor so, dass man regelrecht Appetit auf diese sächsische Köstlichkeit bekommt.

 

Natürlich: In der Schilderung einer sächsischen Kindheit darf der Christstollen nicht fehlen. Die ersten Back-Vorbereitungen etwa sahen so aus: „Da wurden Bänke um den Kachelofen im Großen Zimmer gestellt. Darauf kamen in einer bestimmten Rei-henfolge alle Zutaten fürs Stollenbacken – die letzten, abgekochte Milch und süße Sahne, vorm Zubettgehen. Die Abstände zum Ofen waren genau abgezirkelt, ‚das Citronat weiter vor, noch ein bisschen, die Rosinen auch, und alles weiter links, wir brauchen mehr Platz fürs Mehl’.“ Natürlich wird auch der Prozess des Backens genau beschrieben.

 

Weitere schmackhafte Speisen, an die sich Peter Böhme-Köst in seinem Buch erinnert: „Rauchomat“, auch Plinsen genannt, Savoyerkohlklöße oder „Laubfrösche“, gefüllte Spinatblätter.

 

Reichliches zweites Frühstück

 

Beachtlich war der Reiseproviant, den die Familie auf der Fahrt in die Sommerfrische mitführte – für das „zweite Frühstück“. Aus der Tasche der Großmutter erschienen „hartgekochte Eier, der gedeckelte Salzsteuer, der Kartoffelsalat, die Wurst- und Käsebemmchen“. Und zum Nachtisch gab’s Kekse, Schokolade, und Bonbons. Das Ganze übrigens für eine Eisenbahnfahrt, die keine Stunde dauerte.

 

Was macht den Reiz dieser Erinnerungen aus? Warum liest sich das Buch so gut? Nun, wer ein zeitgeschichtliches Buch schreibt, muss dafür sorgen, dass die Leser diese Zeit so richtig schmecken können. Böhme-Köst hat dafür das richtige Rezept gefunden: Er schreibt – auch – über Rezepte. Und zwar über solche, die einem noch heute das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Das ist der Punkt.             

 

Das Böhme-Köst-Menü

 

Ein Menü à la Böhme-Köst kann man sich so vorstellen: ein paar Quarkgäulchen vorweg, dann Connewitzer Würstchen und Plinsen mit Savoyerkohlklößen und gefüllten Spinatblättern, und als Nachspeise natürlich Arme Ritter.

                                                             

Manfred Kellner

 

 

Bert Brecht: Alles was Brecht isst - und trinkt

 

Der Stückeschreiber Bert Brecht, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird, hat - obwohl durch und durch Materialist - Speisen und Getränke in seinem Werk nur ganz am Rande erwähnt. Eine Litera-Tour durch seine Dramen, Novellen und Gedichte fällt daher gar nicht so leicht.


Ein Hochzeitsmahl


In einem frühen Brecht-Stück, der "Kleinbürgerhochzeit", spielt sich zwar das ganze Drama mehr oder weniger um die Hochzeitstafel herum ab, doch die Informationen darüber, was denn da aufgetischt wird, sind spärlich. Die genaue Speisenfolge? Die Beilagen? Die Rezepte gar? Fehlanzeige! Immerhin wird ein "Kabeljau" erwähnt, "Pudding mit Sahne" gibt es als Nachspeise, dazu kommen Creme, Gebäck, Wein und Glühwein. Das junge Ehepaar hat sich für seine Verhältnisse offenbar nicht lumpen lassen. Und trotzdem endet das Fest in einem Fiasko von Zank und Zoten, von Tränen und zertrümmerten Möbeln...

 

Die Erfindung des Einfrierens

 

In einer seiner Geschichten, "Das Experiment", lässt Brecht uns Zeuge davon werden, wie das Tiefkühlverfahren erfunden wird: Erfrorene Spatzen bringen den englischen Philosophen und Naturforscher Francis Bacon darauf. Der schon recht alte Bacon lässt ein Huhn - das prakti-scherweise gerade von seinem Pferdeschlitten überfahren wurde - ausnehmen, mit Schnee füllen und anschließend kühl lagern. In ein paar Tagen will er probieren, ob das Fleisch noch genießbar ist. Ironie des Dichters: Der Forscher erlebt den Erfolg dieses Verfahrens nicht mehr, er hat sich bei dem Aufenthalt im Freien so sehr erkältet, dass er stirbt. Vielmehr ist es sein Helfer, ein Junge, der dieses Experiment zu Ende bringt - obwohl ihm seine Großmutter abrät, weil das Huhn "inwendig verdorben" sei.

 

Zum Wohl!

 

Unter den lyrischen Arbeiten Brechts findet sich ein hübsches Saufgedicht: "Über den Schnapsgenuss". Der Dichter ahmt hier die unbeholfene, von Wiederholungen und gedanklichen Sprüngen geprägte Sprache Betrunkener nach. Linsel Klopps, Hauptfigur dieses kleinen Meisterwerkes, ging "grad wie'n Meier" - doch "nun ist ihm auch viel freier / seit er schwankt. / (Seit er schwankt.)".  "Sieben Lieder, sieben Liter", lässt der Autor den Betrunkenen nuscheln, "das gibt Mut. / (Das gibt Mut.)" Die besungene Sauferei fand offenbar im Freien statt, denn am Anfang heißt es: "In dem grünen Kuddelmuddel / Sitzt ein Aas mit einer Buddel / Grünem Schnaps / (Grünem Schnaps). / Sitzt ein Aas mit einer Buddel und Herzklaps. / (Und Herzklaps)." Ein Herzschaden - so muss man vermuten - aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses.

 

Das Brecht-Menü

 

Ein Menü à la Brecht ließe sich trotz der schlechten Quellenlage sicherlich kreieren. Als Begrüßungsdrink könnte es einen grünen Kiwi-Daiquiri "Linsel Klopps" geben, als Vorspeise einen Geflügelsalat "Bacon". Das Hauptgericht wird gebildet von Kabeljau-Filet nach Art der "Kleinbürgerhochzeit". Und als Dessert kommt ein Vanille-Pudding mit einem Sahnehäubchen auf den Tisch. Wohl bekomm's!                                                                                    Manfred Kellner

 

Wilhelm Busch: Hühnerschmaus und Schokopudding

 

Das Sauerkraut der Witwe Bolte, Likör als Sorgenbrecher, das verhängnisvolle Getränk Hans Huckebeins oder der Hang junger Männer zum Küchenpersonal – die Werke von Wilhelm Busch (1832 – 1908) sind voller kulinarischer Fundstellen. Gehen wir also einmal mit dem Schöpfer von „Max und Moritz“ auf Litera-Tour.

 

Hauptgerichte á la Busch
Gleich dem ersten Streich der beiden bösen Buben teilt uns Wilhelm Busch einige Küchengeheimnisse mit. Die Hühnerhaltung der Witwe Bolte etwa wird so erklärt: „Mancher gibt sich viele Müh’/ mit dem lieben Federvieh: / Einesteils der Eier wegen, / welche diese Vögel legen, / zweitens, weil man dann und wann / einen Braten essen kann.“ Und zu diesem Braten gibt es dann Sauerkraut: „Eben geht mit einem Teller / Witwe Bolte in den Keller, / dass sie von dem Sauerkohle / eine Portion sich hole, / wofür sie besonders schwärmt, / wenn er wieder aufgewärmt.“ Aber auch andere Braten hat Wilhelm Busch offenbar geschätzt. So heißt es in der „Kritik des Herzens“: „Es wird mit Recht ein guter Braten / gerechnet zu den guten Taten!“

 

Bodenständig waren die kulinarischen Vorlieben des Dichters und Zeichners. Im Gedicht „Pfannkuchen und Salat“ bekennt er: „Von Fruchtomletts, da mag berichten / ein Dichter aus den höhern Schichten. / Wir aber, ohne Neid nach oben, / mit bürgerlicher Zunge loben / uns Pfannekuchen und Salat.“ Und es folgt das Rezept – natürlich in Reimform.

 

Süßes zum Nachtisch

 

In „Hans Huckebein“ geht es auch um einen Nachtisch: „Nichts Schönres gab's für Tante Lotte / als schwarze Heidelbeerkompotte!“ wird uns da verraten. Und einem Schokoladenpudding widmet Busch ein eigenes Gedicht: „Dämm'rung war es, als Adele / mit dem Freunde ihrer Seele, / der so gerne Pudding aß, / traulich bei der Tafel saß. / "Pudding", sprach er, "ist mein Bestes!" / Drum zum Schluss des kleinen Festes / steht der wohlgeformte große / Pudding mit der roten Soße / braun und lieblich duftend da, / was der Freund mit Wonne sah.“

 

Bier, Rotwein und Likör

 

„Es ist ein Brauch von Alters her / wer Sorgen hat, hat auch Likör.“ wusste Wilhelm Busch, und auch: „Rotwein ist für alte Knaben / eine von den besten Gaben.“ Aber auch über Bier schrieb Busch: „"Das Wasser gibt dem Hornvieh Kraft, / den Menschen stärkt der Gerstensaft." oder „Die erste Pflicht der Musensöhne / ist, dass man sich ans Bier gewöhne.“

 

Dabei wusste Busch natürlich auch von der verhängnisvollen Wirkung des Alkohols – beispielhaft dargestellt am Schicksal des Raben Hans Huckebein. Das beginnt noch recht harmlos: „Es duftet süß. - Hans Huckebein / taucht seinen Schnabel froh hinein / und lässt mit stillvergnügtem Sinnen / den ersten Schluck hinunterrinnen.“ Bald zeigt sich die Wirkung: „Ei, ei! Ihm wird so wunderlich, / so leicht und doch absunderlich.“ Und zum Schluss wird ihm das Strickgarn zum Verhängnis, das er in betrunkenem Übermut auseinandergezerrt hatte: „Der Tisch ist glatt - der Böse taumelt - / das Ende naht - sieh da! Er baumelt.“

 

Das Busch-Menü

 

Ein Menü „Wilhelm Busch“ könnte sich so zusammensetzen: Den Beginn macht eine Vorspeise aus Hühnchenbruststreifen an Sauerkraut á la Witwe Bolte, gefolgt von Pfannkuchen und Salat. Das Hauptgericht bildet selbstverständlich ein Braten. Und nach dem Dessert, einem Schokoladenpudding, wird ein Likör serviert. Und dann bitte Vorsicht in der Küche, vor allem, wenn junge Männer unter den Gästen sind. Denn, wie heißt es doch in der „Frommen Helene“: „Jeder Jüngling hat wohl mal / ’n Hang fürs Küchenpersonal“.                              

 

Manfred Kellner

 

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