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Die Quappen und der Molch

Kleine Kaulquappen verschwinden einfach so im Teich. Das wissen doch alle Frösche! Doch ein paar der Quappen wollen sich damit nicht abfinden... Lesen Sie hier: Die Quappen und der Molch

 

 

I.
Ruhig liegt ein kleiner Tümpel inmitten einer Blumenwiese. Leicht streicht der Wind über die seine Oberfläche und kräuselt sie ein wenig. Die Sonne spiegelt sich im Wasser, Mücken spielen in ihren Strahlen. Dort, wo Wiese und Wasser ineinander übergehen, wächst hohes Rohr, das vielen kleinen Lebenwesen Unterschlupf gewährt.

 

Schön und geheimnisvoll sieht es unter Wasser aus. Im grellen Geglitzer zeigt sich die Wasseroberfläche, doch je tiefer man kommt, desto angenehmer wird das Licht, wird gedämpft vom Wasser, vom Schatten der Seerosenblätter, der Uferpflanzen und der Seelilien, die im Teich treiben. Ein paar Fische ziehen ruhig ihre Bahn, hinterlassen lustige Luftblasen; Frösche zappeln hastig durchs Wasser; und eine Unmenge von Kaulquappen flimmert hin und her.

 

Kwap, Kwip und Kwop gehören zu diesen Quappen. Gestern war jeder von ihnen noch ein Laichbällchen, das träge zwischen dem Rohr im Wasser trieb. Doch heute Morgen, da blähte sich das Bällchen nach hier und nach dort, wuchs in die Breite, drehte sich, pulsierte – und da, ganz plötzlich, war eine Kaulquappe geschlüpft. Kwap war die erste, unmittelbar gefolgt von Kwep und Kwip. Die drei Quappen erblickten fast zur gleichen Zeit und am gleichen Ort das Licht der Welt, und deshalb halten sie auch in Zukunft zusammen wie Rohr und Reet.

 

Und während die drei sich vom der Anstrengung des Schlüpfens erholten, ging es um sie herum weiter: Kwop und Kwup schwammen heran, Kwäp, Kwöp und Kwüp – alles nähere Verwandte, Vettern und Basen. Und dann waren da noch Cwap, Cwep, Cwip, Cwop und Cwup sowie Quaap, Queep, Quiep, Quohp und Quuup – und als sich auch noch Cwäp, Cwüp, Cwöp, Quäp, Quöp, Quüp vorstellen wollen, hatten Kwap, Kwep und Kwip genug: Schnell schlängelten sich die drei jungen Kaulquappen durch das Rohr davon. "Viel zu viel Verwandte!" schimpfte Kwap. "Man wird nirgendwo mehr allein sein können!" stimmte ihm Kwep zu, und Kwip schüttelte den Kopf: "Warum müssen wir nur so viele sein!"

 

II.
Vieles hatten die drei Quappen zu lernen in ihren ersten Lebenstagen unter Wasser. Im Quappenclub, einer Art Schule, lernten sie von einem zappeligen, nervösen Frosch: geradeaus schwimmen (was gar nicht so leicht ist, wie es sich anhört), Freund und Feind unterscheiden (was ebenfalls ganz schön schwer ist), etwas Essbares erkennen (was sehr wichtig ist), Kescher zu vermeiden (was das Überleben erleichtert) und vieles mehr. Und wenn sie Fehler machten, schimpfte ihr Lehrer und sagte: "Wenn ihr nicht aufpasst, dann holt euch der große Molch!"

 

Unruhig ging es zu im Club, immer wieder einmal trug ein Welle einen Teil der Schüler mit sich fort, und die mussten dann mühsam wieder herbei schwimmen; dann schrak die ganze Bande auseinander, weil sich plötzlich ein Schatten zeigt, der bedrohlich aussah; dann wiederum erblickte ihr Lehrer an der Wasseroberfläche vielleicht eine fette Mücke und stürzte sich auf sie, oder er musste einfach wieder einmal nach oben, um Luft zu schnappen... kurz: Kwap, Kwep, Kwip, Kwop, Kwup, Kwäp, Kwöp Kwüp, Cwap, Cwep, Cwip, Cwop, Cwup, Quaap, Queep, Quiep, Quohp, Quuup, Cwäp, Cwüp, Cwöp, Quäp, Quöp, Quüp und die vielen anderen Quappen hatten viel Spaß im Club der kleinen Quappen.

 

Am schönsten aber war es, wenn ihr Lehrer Geschichten vom Teich erzählte. "Erzähl von der großen Trockenheit!" forderte dann Kwap etwa, von Kwep und Kwip unterstützt. "Erzähl von dem Karpfen, der immer rückwärts schwamm!" forderten andere, oder: "Erzähl von der Seerose, die ein Fisch werden wollte!" Aber dann rief jemand: "Bitte erzähl uns vom großen alten Wassermolch!" – und alle Quappen wippten mit ihren Köpfen und riefen: "Ja, erzähl uns vom alten, bösen Molch!"

 
III.                                 
"Tief unten im Teich", begann der Frosch da hastig zu erzählen, "tief unten im Teich, da lebt ein großer, alter Molch ..." – "Was heißt denn ‚lebt’?" fragte Kwip. "Lebt er denn immer noch da unten?" – "Aber ja, aber ja", nickte der Frosch, "in jedem Teich und zu jeder Zeit lebt tief unten ein großer, alter Molch." – "Auch in unseren Teich?" fragte Cwep, der nicht aufgepasst hatte. – "Natürlich, natürlich! Auch in unserem Teich lebt tief unten ein großer, alter Molch ..." – "Was ist das eigentlich, ein Molch?" wollte da Kwap wissen – und da hatte der Frosch genug: "So nicht, so nicht!" schimpfte er. "Erzählt euch doch selbst eure Geschichten, wenn ihr mir nicht ruhig zuhören könnt! Und passt gut auf, dass euch nicht der Molch holt!"

 

"Ich weiß, was ein Molch ist", sagte da Quap plötzlich. "Ein Molch sieht aus wie wir – er ist nur hundert- und tausendmal größer. Dazu hat er vorn und hinten so komische Arme und Beine wie ein Frosch." – "Ein Riese also!" staunten die anderen. "Ein Riese, der nach einem greifen kann! Wie unheimlich!"

 
IV.
Etwas Seltsames ging vor im Tümpel. Anfangs bemerkten es Kwap, Kwep und Kwip gar nicht, aber dann macht Quaap sie darauf aufmerksam: "Habt ihr Cwup gesehen? Ich wollte mit ihm unter die Seerosen schwimmen, aber er ist nicht gekommen." – "Hol dich der Molch!" wehrte Kwep da noch ab, "lass uns nur in Ruhe mit diesem Cwup. Der spielt sicher mit den anderen Versteck und hat deine Seerosen längst vergessen!" Aber nur wenig später suchte jemand Kwüp; dann fehlte Quiep; auch Quöp und Quup waren nicht aufzutreiben. "Beim großen Molch!" rief da Kwip. "Hier stimmt etwas nicht!" So schnell sie konnten schwammen die Quappen zu ihrem Lehrer. "Cwup, Kwüp, Quiep, Quöp und Quup sind verschwunden!" berichteten sie aufgeregt. "Hast du sie gesehen? Was ist hier los? Geht der Molch um?"

 

"Nur die Ruhe, nur die Ruhe!" sagte der Frosch. "Der Molch ruht tief unten am Grund des Teiches und tut niemanden etwas zuleide." – "Aber wo sind unsere Freunde?" fragten die Quappen. "Weg ist weg", sagt der Frosch, "weg ist weg, da kann ich euch nicht helfen und auch sonst niemand. Das ist etwas ganz Natürliches: Kleine Kaulquappen verschwinden nun einmal. Das war immer so, und das wird auch immer so bleiben!"

"Nein!" protestierte da Kwap. "Nein, das lassen wir nicht zu! Niemand von uns verschwindet so einfach! Wir müssen wissen, was hier vorgeht!" – "Genau!" stimmten Kwep und Kwip zu. "Wer kann uns sagen, was hier los ist? Und was können wir tun?" - "Unsinn, Unsinn!" sagte der Frosch abwehrend. "Niemand kann euch helfen – und wenn ihr zum großen Molch selbst schwimmen würdet."
 
V.
"Und wenn ihr zum großen Molch selbst schwimmen würdet ..." wiederholte Kwap nachdenklich. Dann schüttelte er sich entschlossen und sagte: "Nun gut. Dann schwimme ich eben zu diesem großen Molch. Kommt eventuell jemand mit?" Erschrocken sahen sich die kleinen Quappen an: zum großen Molch? Zu dem Riesen mit den schrecklichen Greifarmen? Und so waren es nur Kwep und Kwip, die ganz selbstverständlich sagten: "Mit Kwap zum Molch? Klar doch, warum nicht!"

 

Und so machten die drei sich auf den Weg. Tiefer und tiefer tauchten sie in den Teich ein; immer schummeriger wurde es, immer dunkler; immer unbekannter; immer schwerer wurde es, geradeaus zu schwimmen; immer schwieriger, Freund und Feind zu unterscheiden.

 

Schließlich sagte Kwap: "So, hier müsste es sein. Tiefer geht es nicht mehr!" Und die anderen beiden Quappen sahen sich um und bemerkten, dass sie an einer Stelle angekommen waren, von der aus der Boden des Teichs nach allen Richtungen hin anstieg. "Stimmt", sagten sie, "wir sind am tiefsten Punkt angekommen. Hier muss der Molch leben."

 

"Genau so ist es", grollte da plötzlich eine tiefe Stimme durchs Wasser, "hier lebe ich. Und warum lebe ich hier? Weil ich meine Ruhe haben will vor so zappeligen Geschöpfen wie euch!" Hinter einem großen Stein kam der Molch hervorgeschwommen. Für die drei Quappen war er wirklich riesig und unheimlich: ein bemooster, zotteliger Kopf, trüb starrende Augen, gewaltige Flossenpranken und ein unendlich großer Körper.

Trotz seiner Furcht fasst sich Kwap ein Herz: "Großer Mmmolch", stotterte er ein wenig, "wir wwwollen dich nur etwas frrragen." – "Nun gut," sagte der Molch, der sich im Grunde darüber freute, dass man sich im Teich noch an ihn erinnerte, "worum geht es denn?"

 
VI.
"Quappen verschwinden immer!" bestätigte der Molch, nachdem Kwap, Kwep und Kwip ihm das Problem erläutert hatten. "In jedem Frühjahr gibt es zunächst Tausende und Abertausende von ihnen. Nach und nach werden es dann weniger – bis zum Schluss nur noch eine Handvoll übrig bleibt." – "Nur eine Handvoll? Was soll das heißen?" fragte Kwip dazwischen, doch der Molch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Das ist nichts Unerklärliches", fuhr er fort. "Hier im Teich lebt ein Hecht, und für den sind kleine Kaulquappen ein Leckerbissen!"

 

"Der Hecht!" fuhr Kwap auf. "Der Hecht! Warum hat der Frosch nichts von ihm gesagt? Was kann man gegen ihn unternehmen?" – "Hechte sind große Räuber", erklärte der Molch, "und ihr kleinen Quappen wollt etwas gegen einen so großen Räuber unternehmen? Das hat der Teich noch nicht gesehen!" – "Wir sind vielleicht klein", widersprach da Kwap, "aber wir sind ganz, ganz viele. Zumindest jetzt noch. Und wenn wir den anderen erzählen, dass sie so mir nichts, dir nichts aufgefressen werden sollen, dann werden die auch ganz schön wütend werden. Da müsste doch etwas zu machen sein!" – "Genau!" stimmten bei zwei anderen Quappen zu. "’Wer wird schon gern zu Fischfutter!"

 

"Ja, wenn das so ist", überlegte der große, alte Molch, "und wenn alle Quappen so viel Mut haben wie ihr, dann ist da vielleicht wirklich etwas zu machen. Ich habe da einmal von einer Sache gehört ..." Kwap, Kwep und Kwip schwammen ganz dicht an den Molch heran, der begonnen hatte, ganz leise zu sprechen.
 
VII.
Bewegungslos stand der Hecht im ruhigen Wasser des Teichs, fast unsichtbar im Schatten eines großen Seerosenblattes. Wohlgenährt war der Räuber, denn in den letzten Tagen hatte er eine Kaulquappe nach der anderen erbeuten können. Heute allerdings hatte er noch keine gesichtet – und das beunruhigte ihn ein wenig, denn eigentlich war jetzt doch die beste Quappenzeit. Der Hecht beschloss, einmal auf der anderen Seite des Tümpels nachzuforschen. Er tauchte tiefer ins Wasser und schoss pfeilgerade davon.

 

Doch was war das? Ein riesiges Tier mit einer fürcherlichen Fratze bewegte sich auf ihn zu! Ein gewaltiger Fisch offenbar, der es auf ihn abgesehen hatte! Größer als alles, was jemals in diesem Tümpel gelebt hatte! Entsetzen packte den Hecht, drehte sich um und floh.

 

"Es klappt, es klappt!" jubelte Kwap, der gemeinsam mit Hunderten von Kaulquappen herangeschommen kam. Sie hatten sich so formiert, dass sie wie ein gewaltiger Fischkopf aussahen – Schuppe für Schuppe von den Quappen nachgebildet.

 

Da aber hatte der Hecht nach dem ersten Schrecken neuen Mut geschöpft, kam zurück und wollte sich auf den unbekannten Gegner stürzen. Angstvoll wichen jetzt doch ein paar Quappen zurück, verließen die Formation, begannen, sie aufzulösen. Doch gerade, als der Hecht anfing, Verdacht zu schöpfen, öffnet der vermeintliche Riesenfisch sein Maul, und eine fürchterliche, zerlappte und bemooste Zunge stieß genau auf den Fisch zu. Jetzt hatte der Hecht genug: Endgültig dreht er um und schoss auf den kleinen Abfluss des Tümpels zu, um sich ein neues, weniger aufregendes Jagdgebiet zu suchen.

 
VIII.
Das war eine Freudenfeier im Wiesentümpel! Die Quappen jubelten und tanzten. Immer wieder tauchten sie ganz tief hinab zum großen, alten Molch, um sich für seinen Rat zu bedanken – und für seinen Auftritt als Riesenzunge. "Lasst es gut sein!" wehrte der Molch dann ab. "So ein Hecht kann auch unsereinem gefährlich werden, wenn er zu groß wird."

 

Für den Frosch aber, der gemeint hat, man könne doch nichts machen gegen das Verschwinden der Quappen, hatten Kwap und seine Freunde nur Hohn und Spott übrig. "He, Frosch!" riefen sie ihm hinterher, wenn er an ihnen vorbeizappelte. "He, Frosch, pass auf, der Hecht kommt!" Und dann lachten sie über den dummen Frosch, der dann noch hastiger schwamm.

 

Die Quappen waren sich einig: Der Molch ist schwer in Ordnung, aber so ein Frosch ist ziemlich überflüssig. "Wisst Ihr was?" fragte Kwap seine Gefährten. "So ein armseliges Geschöpf wie dieser Frosch möchte ich nie in meinem Leben werden!" – "Wir auch nicht!" riefen die anderen Quappen. "Nie!" bestätigte Kwap noch einmal und betrachtete dabei nachdenklich die zwei Beulen, sie sich an seiner Schulter gebildet hatten. Was das nun schon wieder ist?

 

 

 

 

 

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