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Edgar Allen Poe: Amontillada und weitere Leckereien

Vor zweihundert Jahren wurde Edgar Allan Poe in Boston geboren. Von seinen zumeist unheimlichen Geschichten geht auch noch heute mehr als ein sanfter Schrecken aus. Doch was essen und trinken die Gestalten Poes? Dafür begeben wir uns wieder einmal auf eine Litera-Tour...


Medoc im Gewölbe

Ein Getränk steht im Mittelpunkt einer Kurzgeschichte von Poe: ein ganzes Fass Amontillado, das der Story auch ihren Namen gibt. Interessant dabei ist, dass der Dichter den Amontillado, eine Form von Sherry, offenbar für eine italienische Weinsorte hält. Ein echter Kenner europäischer Weine war Poe offenbar nicht. Immerhin: Die zwei Personen in dieser Geschichte trinken in den kalten, unheimlichen Gewölben, in denen das Fass Amontillado zu finden sein soll, erst einmal zwei Flaschen Medoc, um sich aufzuwärmen.


Von der Inquisition bewirtet

Ein Krug mit Wasser und eine Schüssel mit einer stark gewürzten Fleischspeise – das ist die einzige Nahrung, mit der die Inquisition in Toledo ihren Gefangenen in einem schaurigen Kerker versorgt hat. In „Die Grube und das Pendel“ gelingt es dem Erzähler, den Anschlägen seiner Henker zu entgehen – unter anderem auch durch den geschickten Einsatz eben der stark gewürzten Fleischspeise, mit der er die Kerkerratten dazu bringt, seine Fesseln zu durchnagen.


Kaminfeuer und Hühnchen

Poes „Goldkäfer“ beginnt in recht behaglicher Atmosphäre - und mit einem Essen: „Im Kamin brannte ein lustiges Feuer. Ich legte meinen Überrock ab, warf mich recht nahe bei den knisternden Holzblöcken in einen Armstuhl und erwartete die Ankunft meines Wirtes.“ Als der dann mit seinem Diener kommt, werden Hühner gebraten – und verbrennen dann fast noch während des angeregten Gesprächs, das sich entwickelt.


Entbehrungen auf See

Nahrungsmittel spielen eine große Rolle im der langen Erzählung „Bericht des Arthur Gordon Pym aus Nantucket“. Das beginnt schon mit dem Proviant, den Pym als blinder Passagier mitführt: „ein großer, mit Wasser gefüllter Krug, ein kleines, mit Bisquits gefülltes Fässchen, drei oder vier enorme Boulogner Würste, ein großer Schinken, eine kalte gebratene Hammelkeule und ein halbes Dutzend Schnäpse und Liqueure“. Doch speziell das Wasser reichte nicht aus: „Was mich am meisten beunruhigte, war der Umstand, dass mein Krug nur noch eine halbe Pinte Wasser enthielt“, klagt Pym bald.


Nach Meuterei und Schiffbruch geht es den Überlebenden darum, Proviant aus dem Schiffsrumpf empor zu holen – ein mühsames Unterfangen: „Gegen Sonnenuntergang hatten wir vier weitere Krüge mit Oliven, noch einen Schinken, einen Ballon mit vielleicht drei Gallonen ausgezeichneten Madeiras und, was uns am meisten erfreute, eine kleine Schildkröte nach oben geschafft.“


Später dann, schon in Südpol-Nähe, versorgen Eingeborene Pym und seine Gefährten mit Nahrungsmitteln: „Der Häuptling hielt sein Wort und versorgte uns mit neuen Vorräten. Die Schildkröten gehörten mit zu den besten, die wir je gesehen, und die Enten übertrafen alles uns bekannte Geflügel durch ihr zartes, saftiges, wohlschmeckendes Fleisch. Außerdem brachten uns die Wilden, nachdem sie unsere Wünsche verstanden hatten, eine große Menge Sellerie und Löffelkraut, das ein Heilmittel für Skorbut ist, sowie eine Kahnladung frischer und getrockneter Fische.“


Ein Poe-Menü

Als Vorspeise gibt es bei diesem Menü á la Poe eine Aufschnittplatte mit Schinken, Boulogner Würstchen und scharf gewürzten Bratenscheiben. Als Zwischengericht wird eine Variation von frischen und getrockneten Fischen serviert sowie eine Ente nach Südpol-Art mit Sellerie und Löffelkraut. Das Hauptgericht besteht aus gebratenen Hühnchen oder einer Hammelkeule. Und zum Nachtisch werden Bisquits gereicht. Dazu wird ein trockener Madeirawein getrunken, ein Medoc und natürlich ein schönes Gläschen Amontillado.

 

Manfred Kellner

 

 

Terry Pratchett: Kulinarische Überraschungen auf der Scheibenwelt

Die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett, die als intelligente und urkomische Fantasy-Parodien augenblicklich der Scien­ce-Fiction-Parodie "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams den Kult-Status ablaufen, bieten neben jeder Menge Wort- und Irrwitz auch eine Reihe von Hinweisen auf interessante Speisen und Getränke. Allerdings: Beim Nachkochen ist höchste Vorsicht geboten!

 

"Froide für den Gaumen und niche nur dafür" heißt das Kochbuch, das die Hexe Nanny Ogg in Pratchetts "Mummenschanz" geschrieben hat - mit Gerichten wie der "Ba­na­nen­suppenüberraschung", einer "Karotten- und Austernpaste" oder der "Sellerie-Über­raschung". Die Namen sagen eigentlich schon alles - das gesamte Kochbuch, so heißt es, "war heiß. Es grenzte an ein Wunder, dass die einzelnen Blätter nicht verbrannten." Immerhin scheinen die Gerichte wirksam zu sein. "Hast Du die Bananensuppenüberraschung probiert?" fragt Nanny den Herausgeber, und der antwortet: "Nein, aber Herr Reinfall, unser Chefdrucker." - "War er überrascht?" - "Nicht annähernd so sehr wie Frau Reinfall."

 

Große Portionen für große Esser

Der Sänger Basilica im gleichen Buch ist ein großer Esser - er vertilgt ungeahnte Mengen. Bei "Gebratenen Ochsenkeulen mit gefüllten Mehlklößen" sowie "Kartof­fel­brei mit Butter" läuft er zur Höchstform auf: "Er aß nicht gerade gierig, aber ohne Pause, wie jemand, der entschlossen ist, diese Art von Aktivität stundenlang mit großer Entschlossenheit und fest in den Kragen gestopfter Serviette fortzusetzen. Die Gabel erhielt eine neue Ladung, während die letzte Lieferung gründlich gekaut wurde - diese Methode verringerte die Zeit, die der Mund mit ineffizienten Warten verbringen musste."

 

Starke Schnäpse

Ein besonderes Kapitel sind die Getränke auf Pratchetts Scheibenwelt. Da gibt es einen Schnaps mit dem beziehungsreichen Namen "Knieweich", der „hauptsächlich“ aus Äpfeln besteht, und natürlich Jimkin Bärdrückers alter und gut gelagerter Drachenblutwhisky: "Billig und stark. Man konnte damit Kaminfeuer anzünden." Eine besondere Spezialität ist Wein aus noch nicht geernteten Trauben - der bewirkt, dass man nicht nach dem Trinken einen Kater bekommt, sondern schon davor.

 

Kulinarische Überraschungen

Nicht gerade empfehlenswert sind die kulinarischen Angebote eines gewissen Schnapper aus der Scheibenwelt-Metropole Ankh-Morpork, der in einer ganzen Reihe der Romane vorkommt: "Fleischpasteten!" ruft er sein Bauchladenangebot aus. "Heiße Würstchen! In Brötchen! So frisch, dass die Schweine noch gar nicht gemerkt haben, dass ihnen etwas fehlt!" In der Regel kauft man nur einmal bei Schnapper - und dann nie wieder. Da geht man doch lieber in die "Geflickte Trommel" - eine Art Szenelokal.

 

Die Bewohner von Ankh-Morpork wissen Bescheid - auch in fremden Ländern. So verschlägt es den Zauberer Rincewind in "Echt zauberhaft" in das weit entfernte Achatene Reich. Doch die achatene Küche kennt er - und bestellt in einer Taverne sofort "eine Portion der berühmten Köstlichkeit 'Mahlzeit A' mit einem zusätzlichen Garnelenkeks."

 

Ein Pratchett-Menü

Man scheut sich, angesichts der verdächtigen Rezepturen einen Menü-Tipp zu geben. Aber vielleicht kann man ja einmal so etwas wie einen "Geflickte-Trommel-Abend" veranstalten - etwa in Zusammenarbeit mit einer Buchhandlung und einen Pratchett-Fan-Club? Dann sollte man als Vorspeise "Fleisch­pasteten à la Schnapper" servieren, und der Hauptgang wird gebildet von "Gebrate­nen Ochsenkeulen mit gefüllten Mehlklößen nach Art des großen Basilica". Natürlich dürfte so etwas wie "Knieweich" nicht fehlen - Calvados etwa. Und zum Abschluss - aber wirklich erst zum Abschluss! - wird Nanny Oggs berühmte Bananensuppenüberraschung serviert.

                           Manfred Kellner

 

 

 

Gerd Prokop: Tiny Truckle und die Hefepilzkulturen

 

Die Welt, in der der kleinwüchsige Timothy „Tiny“ Truckle irgendwann in der Zukunft als gefragter Privatdetektiv lebt, beschreibt Science-Fiction- und Krimi-Autor Gert Prokop als eine Welt des übersteigerten Kapitalismus, beherrscht von einigen wenigen Bigbossen, überzogen von einem Stasi-ähnlichen Spitzelsystem, ökologisch verseucht, gesellschaftlich heruntergekommen. Aber trotzdem: Es gibt Menschen, die gutes Essen und gute Getränke schätzen, aber nur wenige, die sich so etwas leisten können. Und es gibt einen Widerstand – zu dem auch Truckle gehört. Schauen wir mal, was eine Litera-Tour hier bringt …


Snoby: Wasser im Glas
Die Erfolge von Truckle haben ihm einige Privilegien verschafft: So steht er auf der Kundenliste von „Old Neptuns Treasury“, einem Unternehmen, das die Reichsten der Reichen (aber auch nur die) mit Fischen und Meeresfrüchten versorgt, und er verfügt über ein lebenslanges Abonnement für alle verfügbaren Wassersorten – Sorten, die inzwischen sogar aus arktischen Eisbergen gewonnen werden. „Artis, Missouri, Delaware, Chippwa …?“ fragt der Detektiv einen Gast – und erstaunt ihn dann noch mit einem richtigen Glas: „Tiny, Sie sind ein Snob!“ Natürlich hat sich Truckle auch etliche Flaschen aus den Weinkellern seiner Kunden als Honorar gesichert, so dass er immer einen guten Tropfen anbieten kann – ob Beaujolais oder auch Piesporter. Er selbst schätzt guten Whiskey. Jemand berichtet: „So begann meine Bekanntschaft mit Timothy Truckle, bei einem halben Dutzend Whiskeys an der Bar und zwei weiteren Dutzend in seinem Appartement.“ Aus Sorge um den Gast serviert Tiny zwischendurch „Mokka und rabenschwarzen Tee“. Gut, dass in der Zukunft wirksame Pillen gibt, die die Folgen dieses Alkoholgenusses schnell verfliegen lassen.


Immer wieder neue Gerichte

Timothy Truckle liebt es, zu backen und zu kochen. Um sich von einem Fall abzulenken, bereitet er einen Hefezopf zu: Er war „nur noch damit beschäftigt, Butter in Sahne zu rühren, Hefe in Milch einzuweichen, Teig zu kneten; er wartete geduldig, dass der in eine Serviette gehüllte Teigklumpen sich vom Grund eines Eimers mit kaltem Wasser lösen und Aufsteigen sollte, knetete dann Zucker unter, streute Mandeln, Rosinen und Sukkade darauf und formte eine lange Teigrolle ...“ Andere Gerichte, die Truckle im Verlauf von 15 Kurzgeschichten in zwei Bänden zubereitet, sind beispielsweise Aal grün mit Petersiliensoße; Bohnen mit Speck, Rindsbouillon; passierter Maisbrei und mild gewürzte Klopse aus Kalbfleisch und Leber; süßsaure Meerrettichsuppe mit Kalbsaugen und Algenklößchen; ukrainischen Bortsch; und Hecht in Buttersoße.


Besonderes für Kranke
Aber auch für einen Schwerkranken kann Truckle etwas Besonderes zaubern: „Er hatte Dutzende verschieden geformter und gefärbter Speisen gezaubert, hatte alle seine Nudelformen benutzt, Spiralen und Sternchen, Kugeln, Spaghetti und Makkaroni, Buchstaben, Ziffern, Hörnchen, Muscheln, Fäden; anderes wiederum hätte man für Kroketten, Pommes frites oder Püree, für Pilze oder Spargel, Kirschen oder Pflaumen, für Zucker, Reis oder Erbsen halten können“ - wenn die Gerichte nicht alle aus der gleichen, kalorienarmen und sättigungsschwachen Masse bestanden hätten.


Viele seiner Gäste sind von Tinys Kochkunst begeistert – manche aber verstehen überhaupt nicht mehr, worum es bei den Gerichten geht. Der Gast etwa, den er von dem Hefekranz anbietet, ist erstaunt: „Wir haben bei uns in der Klinik Hefepilzkulturen für die Bakteriologie. Ich wundere mich, was Hefe mit Kuchen zu tun haben sollte!“


Ein Gerd-Prokop-Menü:
Ein Timothy-Truckle-Menü könnte mit einer süßsauren Meerrettichsuppe starten. Danach werden passierter Maisbrei und mild gewürzte Fleischklöße serviert – gefolgt von einem Hecht in Buttersoße als Hauptgang. Zum Nachtisch gibt es Schwedischen Hefezopf. Und das alles muss natürlich begleitet werden von Wein und Whiskey – ganz nach Geschmack.

Manfred Kellner

 

 

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