Ungastlich und unwirtlich - so bietet sich die einsame Insel dar, an deren Stand Robinson Crusoe nach einem Schiffbruch gespült wurde - dem Bericht von Daniel Defoe zufolge. Trotzdem richtet es sich der Gestandete dort nach und nach verhältnismäßig gemütlich ein - Grund genug also für die Litera-Tour durch Herbergen und Schänken, sich einmal auf der Robinson-Insel umzuschauen.
Zunächst einmal, direkt nach der Standung, geht es geradezu spartanisch zu: Robinson berichtet, daß er sich "etwas Tabak in den Mund gesteckt hatte, um den Hunger abzuwehren". Doch bei seiner Durchsuchung des Wracks, zu dem er geschwommen ist, kann er sich besser sättigen: "Ich füllte mir die Taschen mit Zwieback und aß davon. Auch etwas Rum fand ich in der großen Kajüte und trank davon einen gehörigen Schluck, was zur Ermunterung meiner Lebensgeister nötig war." Und er packt sich das eine oder andere ein: "Brot, Reis, drei holländisch Käse, fünf Stücke Ziegenfleisch, einen kleinen Rest europäischen Getreides, einige Flaschen Liqueur sowie fünf bis sechs Gallonen Arak."
Wohnhöhle mit Selbstgezimmertem
Natürlich braucht Robinson eine Herberge. Seine Wohnstatt beschreibt er so: "Meine Wohnung bestand aus einem Feld zu Füßen eines Felsens, das mit einer starken Einzäunung von Pfählen und Tauen umgeben war." Dahinter schloß sich eine Art Wohn- und Vorratshöhle an. Tisch, Stuhl und Regale fertigte er selbst an.
Nach einiger Zeit hat sich Robinson arrangiert. Für jede Erweiterung seines Speisezettels aber ist er dankbar. So findet er eines Tages eine gestrandete Schildkröte und lobt sie sehr: "Das Fleisch schien mir das saftigste und wohlschmeckenste, das ich im Leben genossen, nachdem ich auf meiner trostlosen Insel seit meiner Ankunft nur Ziegen- und Vogelfleisch gegessen hatte."
Grillfleisch und Brühe
Robinson baut sich eine Art Grill und brät sein Fleisch über dem offenen Feuer - sehr zum Erstaunen seines Gefährten Freitag übrigens. Schon zuvor hatte Robinson damit begonnen, Weintrauben zu Rosinen trocknen zu lassen. Seine Eßgewohnheiten beschreibt er so: "Zum Frühstück genoß ich einige Rosinen, als Mittagessen ein Stück gedörrtes Ziegenfleisch oder etwas geröstete Schildkröte. Mein Abendessen bestand regelmäßig aus einigen Schildkröteneiern." Ob der Schiffbrüchige da nicht die eine oder andere Zwischenmahlzeit unterschlagen hat?
Größere Möglichkeiten der Nahrungszubereitung eröffnen sich dadurch, daß Robinson das Töpferhandwerk erlernt. Als der erste Topf fertig ist, kann es der Insulaner kaum erwarten, sich endlich so etwas wie eine Suppe zu kochen: "Von den Fleisch einer jungen Ziege", so berichtet er, "bereitete ich mir eine sehr gute Brühe." Allerdings, so merkt er an, Gewürz und Gemüse fehlen ihm doch sehr.
Immerhin lernt er es, Gerstenbrote zu backen sowie Kuchen und Puddinge aus Reis - mit denen er Abwechslung in seine Diät bringt. Dazu zähmt er Ziegen und richtet eine regelrechte Milchwirtschaft ein, mit bis zu 16 Litern Ziegelmilch pro Tag. Davon bereitet er Butter und Käse.
Ziegenmilch und Rum
Während die Vielfalt der Speisen überrascht, sind die Getränke auf der Insel dagegen recht einfach. Auf einer seiner ersten Reisen betrinkt sich Robinson nach einer Sturm mit einer Bowle Punsch, doch als Schiffbrüchiger nimmt er hauptsächlich Wasser und Ziegenmilch zu sich, trinkt hin und wieder einen Schluck des geretteten Rums oder Likörs.
Das Defoe-Menü
Ein Robinson-Supper ließe sich also gut veranstalten. Zum Beispiel so: Als Appetitanreger gibt's vorweg Zwieback und Rum. Die Vorspeise wird gebildet von einer Schildkrötensuppe Lady Curzon. Als Hauptgericht wird gebratenes Zicklein mit Gestenbrot und Reispudding gereicht. Und zum Nachtisch gibt es eine Auswahl von Ziegenkäse-Sorten gebettet auf Rum-Rosinen.
Manfred Kellner
In den Romanen und Kurzgeschichten um Sherlock Holmes scheint Autor Conan Doyle (1859 – 1930) sich nicht lange mit Mahlzeiten und Getränken aufzuhalten. Doch wie sagt Holmes selbst zu Dr. Watson: „Trauen Sie niemals allgemeinen Eindrücken, mein Junge, sondern konzentrieren Sie sich auf Einzelheiten." Und das soll jetzt hier während unserer Litera-Tour geschehen.
Ungesunde Angewohnheit
Dass es in den Holmes-Geschichten nicht um opulente Mahlzeiten geht, mag auch am Drogenkonsum des Helden liegen – heutige Detektive würden dafür wahrscheinlich schwer
belangt werden. Immerhin: Auch Dr. Watson schätzt diesen Konsum gar nicht – in „Das Zeichen der Vier“ versucht er einmal, das Problem anzusprechen: „Aber an diesem Nachmittag, ob es nun der Bordeaux
war, den ich zum Mittagessen getrunken hatte, oder meine besondere Verärgerung über seine vorsätzliche Handlungsweise; ich fühlte plötzlich, dass ich nicht länger schweigen konnte. ‚Was ist es
heute?’ fragte ich. ‚Morphium oder Kokain?’“ Doch Holmes lässt sich nicht auf einen Wortwechsel ein: „Es ist Kokain", antwortet er cool, "eine siebenprozentige Lösung. Möchten Sie es
probieren?"
Wein und Wasserpfeife
Im gleichen Roman zeigt sich, dass der Urvater aller Detektive auch mit Alkoholika gut ausgestattet ist. Der Bordeaux wurde schon erwähnt, und einer Klientin bietet
Holmes „ein Glas Chianti“ oder einen „Tokayer“ an. Dazu bittet er um Erlaubnis, rauchen zu dürfen: „Nun, dann hoffe ich, dass Sie nichts gegen Tabakrauch einzuwenden haben, gegen den milden
balsamischen Duft der orientalischen Tabake.“ Zum Rauchen verwendet er übrigens stilecht eine Wasserpfeife, in der „der Rauch fröhlich durch das Rosenwasser blubberte“. Auch im „Hund von Baskerville“
wird gern einmal Wein angeboten, einmal sogar ein „Krug mit Wein“ - allerdings wird kein Wort über dessen Herkunft verloren.
Fastfood und Austern
In der Kurzgeschichte „Das Diadem aus Beryll“ zeigt sich, dass auch Holmes ab und zu etwas essen muss. Für eine Observation versorgt er sich: „Er schnitt eine Scheibe
Rindfleisch vom Braten auf der Anrichte, machte daraus mit zwei Brotscheiben ein Sandwich und stopfte diese notdürftige Mahlzeit in seine Tasche, dann begann er seinen Ausflug.“ Ein frühes Beispiel
dafür, wie Fastfood die Sitten verdirbt... Immer wieder liest man bei Doyle von einen „hastigen Mittagessen“, von „ein paar Happen“ oder von „etwas kaltem Braten und einem Bier“.
Doch nicht immer geht es so frugal zu. So spricht Holmes in den „Zeichen der Vier“ eine Einladung aus: „Das Essen wird in einer halben Stunde serviert. Es gibt Austern und zwei Moorhühner, dazu Weißwein nach Ihrer Wahl!“ Offenbar ist der Detektiv von sich selbst überrascht, den er wendet sich an seinen Begleiter und fragt: „Watson, haben Sie eigentlich schon gemerkt, welch guter Gastgeber ich bin?"
Und natürlich – wir sind ja in England – wird während der Abenteuer von Sherlock Holmes Tee getrunken. So berichtet Dr. Watson beispielsweise im „Diadem“: „Ich war gerade fertig mit Tee trinken, als Holmes zurück kam, augenscheinlich in ausgezeichneter Stimmung, und er hielt einen alten Stiefel in der Hand. Er warf ihn in eine Ecke und nahm sich eine Tasse Tee.“ Allerdings: In der ersten Szene vom „Hund von Baskerville“ beobachtet Holmes den hinter ihm stehenden Dr. Watson in einer „gut polierten silbernen Kaffeekanne“ – und im gleichen Buch leert der Detektiv während des Nachdenkens über den Fall „zwei großen Kannen Kaffee“.
Das Doyle-Menü
Kaum möglich, ein Menü á la Sherlock Holmes zusammenstellen. Ein Platte mit kaltem Braten und frisches Brot könnten die Vorspeise bilden, danach gibt es als Zwischengericht Austern, und schließlich, als Hauptgericht, wird Geflügel serviert. Den Abschluss bildet eine gute Tasse Kaffee. Und wer’s nicht lassen kann, greift anschließend zum Tabak – es muss ja nicht die Wasserpfeife sein.
Manfred Kellner