Auf den Punkt formuliert und kunstvoll komponiert sind die Märchen des dänischen Dichters Hans-Christian Andersen (1895 bis 1875), von denen viele, aber längst nicht alle bei uns bekannt sind. In ihnen gibt es – wie bei der Geschichte vom kleinen Klaus und vom großen Klaus – nicht nur immer wieder einmal einen kleinen oder einen großen Schmaus, hier können Lebensmittel sogar ein Eigenleben entwickeln. Also: Gehen wir doch einmal bei Andersen auf Litera-Tour ...
Braten, Fisch und Kuchen
Eine wichtige Szene im Märchen „Der kleine Klaus und der große Klaus“ dreht sich ums Essen. In einem Bauernhaus beobachtet der kleine Klaus, wie die Bäuerin einen Küster
bewirtet: „Da war ein großer Tisch gedeckt mit Wein und Braten und einem herrlichen Fische darauf; die Bauersfrau und der Küster saßen bei Tische, sonst aber niemand; sie schenkte ihm ein, und er
gabelte in den Fisch, denn das war sein Leibgericht.“ Als der kleine Klaus dann mit dem Bauern zur Tür hereinkommt, wird das Festmahl versteckt – und es gibt für die beiden nur Grütze. Klar, das
Klaus einen Weg findet, an Braten, Fisch und Kuchen zu kommen.
Wie es im herrschaftlichen Teil eines Schlosses bei einem Festgelage zuging, erlebt ein armer Hausierer in „Alles am rechten Platz“: „Dort oben war Schmausen und Schwelgen; Wein und altes starkes Bier schäumten in den Gläsern und Krügen, und die Leibhunde fraßen mit der Herrschaft.“ Mit dem Hausierer wird übler Scherz getrieben: „Sie gossen ihm Bier in einen Strumpf, dass er mittrinken könne, aber schnell! das sollte nun Witz sein und gab Veranlassung zum Gelächter.“
Frag die Grünwarenfrau!
Richtig lustig geht es dagegen bei der Hochzeit der alten mit der jungen Mohrrübe zu – in Andersens märchenhaften Gedicht „Frag die Grünwarenfrau“: „Ein Rotkohl hat sie als Pfarrer getraut / Braujungfern sind weiße Rüben / Spargel und Gurke kam nach Belieben / Kartoffeln standen und sangen laut.“ Die alte Mohrrübe überlebt die Hochzeit übrigens nicht, und so kommt die Braut – „jung, froh, frisch und fein“ in die Suppe.
Wie oft müssen sich die Menschen in den Märchen Andersen mit unzureichenden Schlafgelegenheiten herumplagen! Das „Däumelinchen“ hat es besser: „Eine prächtige, lackierte Walnussschale erhielt sie zur Wiege, blaue Veilchenblätter waren ihre Matratze und ein Rosenblatt ihr Deckbett.“
Mit einem höchst ungewöhnlichen Rezept erwirbt sich der „Tölpel-Hans“ die Gunst einer Königstochter: Er brät eine tote Krähe von Straßenrand in einem alten Holzschuh und gibt etwas Schlamm als Soße dazu. Das gefällt der Königstochter, die den Mutterwitz ihrer Bewerber testen will, und sie beschließt: „Du kannst antworten, und du kannst reden, und ich will dich zum Manne haben!“
Schnaps bei kalten Temperaturen
Bei Kälte wird auch bei Andersen gern auf Hochprozentiges zurückgegriffen: „Es herrschte eine schneidende Kälte“, heißt in ein „Anne Lisbeth“. „Der Schiffer trank einen Schnaps, der ihn von innen erwärmen konnte! Ein Schnaps tut wohl, zwei tun noch wohler, meinte der Schiffer.“ Im gleichen Märchen wird – wie auch in anderen Geschichten - Kaffee getrunken: „Sie hatte Kaffeebohnen und Zichorie mitgebracht“, schreibt der Dichter, und dann wird der Trank zubereitet.
Während Däumelinchen bei der Feldmaus, zu der sie sich flüchtet, ihren Hunger mit einem Gerstenkorn stillen will, quellen die Keller des Klosters des „Bischofs von
Börglum“ geradezu über: Sie sind gefüllt mit „köstlichem Wein, mit Bier und Met“. Und auch in der Küche herrscht kein Mangel: „erlegtes Wildbret, Geflügel, Schinken und Würste und frische Karpfen“
finden sich dort.
Das Andersen-Menü
Hier ein Vorschlag für ein märchenhaftes Andersen-Menü: Als Vorspeise gibt es eine Gemüsesuppe mit Mohrrüben, weißen Rüben, Spargel und Kartoffeln nach Art der Grünwarenfrau, gefolgt von einer Fischplatte „Klaus und Klaus“. Als Hauptgericht wird eine Fleischplatte „Börglum“ mit Wildbret, Geflügel, Schinken und Würsten aufgetragen. Zum Dessert gibt es Grütze – aber in Form der auch in Dänemark so beliebten Roten Grütze. Dazu Wein oder Bier und natürliche einen Schnaps – oder zwei.
Manfred Kellner
Wenn Ayla in den Büchern der amerikanischen Autorin Jean M. Auel durch das steinzeitliche Europa wandert, warten natürlich keine Hotels oder Gasthäuser auf sie, doch in den Höhlen und Lagern der Neandertaler und der sich damals ausbreitenden "modernen" Menschen gibt es genug Speis und Trank, um auch dort einmal auf Litera-Tour zu gehen.
Jäger und Sammler sorgen für Nahrung
„Flink wurden die Knospen und Blüten der Taglilien abgemacht, und zarte, frische Wurzeln mit wenigen Stößen des Grabstockes freigelegt“, beobachtet die junge Ayla die Frauen der Neandertaler, in deren Clan sie ein Erdbeben verschlagen hat. Weiter wurden die langen, dreilappigen Hopfen-blätter gesammelt, Erlenrinde und junger Klee. Natürlich stand auch Fleisch auf dem Speiseplan: Kaninchen, Vögel, Wild und – nach aufregender Jagd – auch einmal ein riesiges Mammut. Das Fleisch wurde über dem offenen Feuer gebraten. „Mit rascher Hand häuteten sie das Wild“ heißt es in „Ayla und der Clan des Bären“, „und wie das Feuer kräftig brannte, brutzelte auch schon das Fleisch, das, auf angespitzte grüne Zweige gespießt, die quer über zwei Astgabeln lagen, unter der starken Hitze am schnellsten schmorte, so dass es sehr gut den Saft hielt.“ Und auch Suppe gab es bei den Neandertalern: „Feingearbeitete, festgeflochtene, wasserfeste Körbe mit verschiedenen Mustern dienten als Töpfe und Wasserbehälter.“ Erhitzt wurde das Wasser, indem immer wieder heiße Steine hingelegt wurden.
Zu Gast bei den Steinzeitmenschen
Nachdem Ayla die Neandertaler wieder verlassen hat, führt sie ihre Wanderung auch zu den „Anderen“, den Steinzeit-Menschen. Der erste Eindruck von einer ihrer Behausungen
liest sich in „Mammutjäger“ so: „Der Raum, in dem sie sich befand, wies in der Mitte ein großes Herdfeuer auf. Aufgespießt auf einem langen Pfahl briet ein mächtiger Brocken Fleisch darüber. Die
Enden der Stange ruhten in einer Kerbe, die in dem aufrecht stehenden, in die Erde betriebenen Beinknochen eines Mammutkalbes angebracht war. Ein Ast von einem großen Hirschgeweih war zu einer Kurbel
umgestaltet worden, mit deren Hilfe ein Junge den Spießbraten drehte.“ Später wird dieser Braten „zusammen mit verschiedenen Wurzeln, Gemüsen und Früchten auf einem gewaltigen Beckenknochen hinaus
getragen worden, damit man das Mahl in der spätnachmittägli-chen Wärme im Ferien genießen könne“.
Süßigkeiten in der Vorzeit
Sogar so etwas wie Brot bereitete Ayla zu – aus den Pollen von Rohrkolben, deren zerstampfte Wurzeln sie etwa zum Andicken von Suppen verwendete. Dazu bereitet sie gern eine Art Tee aus Früchten oder Wurzeln zu – je nach Zutat mit beruhigender oder auch anregender Wirkung. Deutlich wird in „Ayla und das Tal der Großen Mutter“ auch, wie sehr auch schon unsere Vorfahren Süßes schätzten: Honig, Beeren und andere Früchte werden liebend gern als Zutaten verwendet, als eigenständige Mahlzeit gegessen oder auch als eine Art Dessert genascht. So bereitet Ayla ein Gelee aus Apfelstücken und Holunderbeeren zu, das ihrem Reisegeführten ausgesprochen gut schmeckt: „Das ist das Beste, was ich je gegessen haben!“ lobt er.
Das Auel-Menü
Für das Nachempfinden eines steinzeitlichen Höhlenschmauses wäre sicherlich ein Grillvergnügen am besten geeignet: Vorweg gibt es ein würziges Stück Brot und eine Wildsuppe. Als Hauptgang gibt’s Fleischstücke, die an langen Stöcken über dem Grill gegart werden, und Spießbraten vom Drehgrill – dazu beispielsweise Möhrengemüse. Und als Nachtisch wird ein Dessert á la Ayla gereicht: ein Apfel-Holunder-Gelee.
Manfred Kellner